- Marie-Charlotte
Das Glück liegt auf Augenhöhe
Auch als Nicht-Reiter kennst Du bestimmt den Spruch „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“. Dem kann ich so nicht ganz zustimmen. Denn bei meiner Arbeit als Pferdegestützter Coach liegt das Glück auf Augenhöhe mit Pferden. In meinen Coachings finden alle Übungen mit Pferden am Boden statt und Pferde- oder Reitkenntnisse sind dafür nicht erforderlich. Aha, kein Reiten. Und wie sieht so ein pferdegestütztes Coaching dann aus, fragst Du Dich wahrscheinlich.
Stell Dir vor, Du stehst mit mir auf der Weide und lernst mein Pferd Goldie kennen. Goldie ist sehr aufgeschlossen und neugierig und kommt direkt auf Dich zu. Er sucht Deine Nähe, stupst Dich an und schaut, ob Du vielleicht eine Karotte für ihn hast. Er ist nicht besonders groß und trotzdem werde ich Dir raten, auf Deine Füße zu achten, wenn er Dir so nah kommt. Denn schwer ist Goldie auf jeden Fall. Ich schätze ihn auf ca. 400 kg.
Das im Hinterkopf, bist Du jetzt vorsichtiger und gehst einen Schritt zurück oder zur Seite, wenn Goldie so nah herankommt. Du freust Dich aber, dass er Deine Nähe sucht und so zutraulich ist. Es ist ein wunderschönes Gefühl und Du genießt es, dass er Dich so mag. Bis Du auf einmal mit dem Rücken am Weidezaun stehst.
Was ist passiert? – Du hast meinen Rat, auf Deine Füße zu achten, ernst genommen. Aber anstatt Goldie Einhalt zu gebieten, hast Du Deinen Platz für ihn geräumt und hast Dich von ihm verschieben lassen.
Wie fühlt sich das an, auf einmal mit dem Rücken gegen die Wand zu stehen? Kennst Du das vielleicht aus Deinem Alltag?
Das Thema, das von Goldie so auf den Prüfstand gestellt wird, heißt „Grenzen setzen“. Die meisten Menschen stellen sich eine Grenzüberschreitung als aggressive Handlung vor. Wenn nicht körperlich, dann zumindest durch Androhung von Konsequenzen, falls das gewünschte Verhalten nicht gezeigt wird. Meist laufen Grenzüberschreitungen aber viel subtiler ab, so wie Goldies Annäherungsversuche.
Ein Beispiel aus dem Büroalltag könnte z.B. Folgendes sein: Es ist Freitagnachmittag und Du bist gerade im Begriff das Wochenende einzuläuten. Da kommt Dein Chef mit einem Stapel Blanko Einladungen in Dein Büro und legt diese auf Deinen Schreibtisch. Er sagt: „Ach Herr /Frau Meier, Sie haben einfach die schönste Handschrift der ganzen Abteilung. Können Sie noch die 20 Einladungen für unser Event nächsten Monat schreiben?! Die sollen heute noch zur Post. Sie sind echt meine Rettung! Schönes Wochenende!“ Und mit dem letzten Satz ist er auch schon mit Mantel und Tasche aus der Tür und in sein Wochenende, während Deines erst einmal verschoben ist.
Und wieder: Was ist passiert? – Du hast einen Plan, nämlich Feierabend zu machen. Dann macht Dir Dein Chef ein vermeintliches Kompliment. Vermeintlich, denn wahrscheinlich ist es für Deinen Job nicht besonders relevant, dass Du eine schöne Handschrift hast. Das ist selten ein Einstellungs- oder Beförderungskriterium. Dennoch, Du fühlst Dich geschmeichelt und lässt Dich darüber von Deinem ursprünglichen Plan abbringen, ins Wochenende zu gehen. Du hast Dich verschieben lassen. Auf einmal hast Du nicht mehr freie Bahn – fürs Wochenende-, sondern stehst mit dem Rücken gegen die Wand.
Es gibt natürlich auch Beispiele aus dem privaten Umfeld. Du freust Dich z.B. auf einen ruhigen Samstagabend, Blockbuster auf der Couch o.ä.. Und dann ruft ein Freund an und möchte mit Dir feiern gehen. „Mit keinem kann ich so geil Party machen wie mit Dir! Mit Dir ist es einfach am coolsten. Wir zwei sind das Dream-Team, wo wir auftauchen ist Stimmung. Bitte lass mich nicht hängen, die anderen sind alle Luschen und wollen zu Hause bleiben.“ Und auf einmal sitzt Du im Party Outfit im Taxi. Auch hier wurdest Du verschoben und von Deiner eigentlichen Absicht, einen ruhigen Abend zu genießen, abgebracht. Da waren Komplimente, Zuneigungsbekundungen und die Androhung der Konsequenz, eine Lusche zu sein und den anderen auch noch im Stich zu lassen, wichtiger als das eigene Bedürfnis.
Genauso waren die Kuschelversuche von Goldie für Dich Kompliment und Zuneigungsbekundung, denn es ist einfach schön, wenn jemand anderes so viel Interesse zeigt und Nähe sucht. Auch wenn es ein Pferd ist. Wenn Goldie Dich so aus Deinem Raum drängen kann, dann ist das ein Thema, das Du auch aus Deinem Alltag kennst. Ganz egal welches Thema im pferdegestützten Coaching dann hochkommt, es wird auf jeden Fall Deine Knöpfe drücken und ein Gefühl in Dir auslösen. Mit dem Rücken gegen die Wand stehen, könnte z.B. Bedrängnis oder Ohnmacht hervorrufen. Aber auch eine Vielzahl anderer Gefühle ist möglich. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Gemeinsam schauen wir dann, wo Du diese Situation aus Deinem Alltag kennst und üben stellvertretend mit Goldie neue Handlungsstrategien. In diesem Beispiel üben wir, Deinen Raum zu wahren, Grenzen zu setzen und Goldie weichen zu lassen. Und dann?
Das „Grenzen setzen“ im Coaching mit Pferden bedeutet für Deinen Alltag mehr Fokus, Stressmanagement und sogar Burnoutprävention. Denn Du lernst Deinen Individualraum kennen und Deine Bedürfnisse wahren. Wenn Du das nächste Mal in Deinem Alltag das Gefühl der Bedrängnis erlebst oder mit dem Rücken gegen die Wand stehst, wird Goldie vor Deinem inneren Auge auftauchen. Und mit ihm die Erinnerung, dass Du Dich nicht verschieben lassen willst. Dass Du an Deiner Absicht festhalten möchtest. Und dass Du sogar 400 kg Pferd Einhalt gebieten kannst. Wie schwer mag Dein Gegenüber wohl sein?
Das Coaching mit Pferden kommt ganz ohne Rollenspiele aus, denn alle Situationen mit Pferden sind real. Pferde spielen nichts vor, sie reagieren einfach auf das, was in dem Moment da ist. Du kannst Dich ausprobieren und experimentieren und die für Dich richtigen Handlungsstrategien finden, die Du dann in Deinen Alltag übernimmst. Nirgendwo wirst Du ehrlicheres Feedback erhalten.
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